Ausstellungsbesprechung von Alois Knoller
Augsburger Allgemeine /Feuilleton regional
18. Juni 2021:
»Mein innerer Wald« Holzschnitte, Skulpturen, Bilder von Norbert Kiening
Schwäbische Galerie, Museum Oberschönenfeld, 13. Juni bis 15. August 2021. »Mein innerer Wald«, so hat Norbert Kiening seine Ausstellung mit ungegenständlichen Gemälden, Holzschnitten und Holzskulpturen betitelt. Dabei geht es ihm
weniger um die Eindrücke, die er in seiner unmittelbaren Umgebung aufnimmt, als vielmehr um das Material Holz: Die haptische Auseinandersetzung mit diesem tragenden, lebendigen und
lebensnotwendigen Bestandteil der Natur steht im Vordergrund.
Der Holzschnitt war für Norbert Kiening der Einstieg in sein künstlerisches Schaffen. Bei seinen Drucken im großen Format handelt es sich meist um Unikate, die in einem experimentellen Schaffensprozess entstehen. Deutlich sichtbar bleibt die Struktur des Materials Holz. Und gleichzeitig ist die malerische Komponente von großer Bedeutung. Der Künstler trägt, wie bei einem Bild, auf dem Druckstock mehrere Farben nebeneinander auf. Bisweilen erinnern Norbert Kienings Kompositionen an Landschaften, ihre großen Flächen lassen an Felder denken. Andere Holzschnitte leben von kreisenden Bewegungen und ineinandergreifenden Formen.
Farbakkorde prägen Norbert Kienings Malereien auf Leinwand. Sie entstehen aus der Geste, der Aktion und der Reaktion heraus. Durch Ritzen, Kratzen sowie mittels der Spritztechnik schafft der Maler Binnenstrukturen und bricht die pastose Oberfläche immer wieder auf. Dabei finden sich Anklänge an grafische Elemente wie etwa Schraffuren, und gleichzeitig denkt man an die Oberflächenbearbeitung seiner Holzskulpturen. Groß angelegte Linien schaffen eine Verbindung zwischen verschiedenen Formen. Auch bei den Gemälden von Norbert Kiening entstehen bisweilen Eindrücke von Landschaften; man assoziiert Gräser, Steine oder einen sich in die Tiefe erstreckenden Raum.
Norbert Kienings Holzskulpturen lassen schließlich den „inneren Wald“ unmittelbar erfahren. Aus Teilen von Baumstämmen schuf der Künstler dreidimensionale Bilder. Die Bearbeitung ihrer Oberfläche mit der Kettensäge lässt – wie bei einer Zeichnung – Binnengliederungen mit verschiedenen Ausrichtungen entstehen. Bisweilen spielt auch der Farbauftrag eine zentrale Rolle. So schlägt Norbert Kiening mit seinen Skulpturen eine Brücke zwischen Malerei, Zeichnung und Holzschnitt.
Die Ausstellung ist Teil des „Jahresthema Kultur 2021“ des Bezirks Schwaben: Holz, der nachwachsende Rohstoff, in all seinen Facetten
Interview: Jana Tallevi bei Norbert Kiening
Augsburger Allgemeine vom 12. Juni 2021
Beilage: „Augsburg Land Extra“
„Künstler zu werden, schien für mich erreichbar zu sein“
Interview: Norbert Kiening hat schon früh geplant, Künstler zu werden. Und so hat es geklappt. Wie die Pandemie auch in einem Atelier lähmen kann und warum die Arbeit im Verband für ihn so wichtig ist. Mit einem Foto von Marcus Merk. Der Künstler Norbert Kiening aus Diedorf-Hausen in seinem Atelier.
Norbert Kiening präsentiert seine Werke im Landratsamt Augsburg
Präsentiert im ersten Stocks des Hauptgebäudes am Prinzregentenplatz. Kiening wurde bereits 1997 der Kunstpreis des Landkreises verliehen. Außerdem erhielt er unter anderem den Kunstförderungspreis der Stadt Augsburg sowie den Kunstpreis der Stadt Krumbach. Aufgrund der Besuchsreihe „Landrat trifft Kultur“ und dem besonderen Schaffen von Norbert Kiening kam schließlich die Idee der Neugestaltung des Ganges zur Umsetzung. „Vorerst werden die Bilder mindestens für ein Jahr im Landratsamt bleiben, aber auch wenn die Ausstellung nicht vorrangig dem Verkauf dient, so kann man die Werke selbstverständlich erwerben“. Eine entsprechende Preisliste können Interessenten im Vorzimmer des Landrates einsehen.
Besichtigung zu Geschäftszeiten.
Zwischenräume, 2014 Öl/Acryl - Mischtechnik 190 x 230 cm (Foto: Annemarie Neher)
Sonderpreis Zeichnung 2015 der Kreis- u. Stadtsparkasse Kaufbeuren im Rahmen der 27. Ausstellung „Schwäbische Künstler in Irsee“ der Berufsverbände Bildender Künstler in Schwaben und der Schwabenakademie Irsee für die Zeichnung »throw away«, Bleistift auf Passepartoutkarton, 70 x 100 cm, 2015 von Norbert Kiening (Diedorf)
Begründung der Jury
Werk – Kiening hat »throw away« ungemein kraftvoll mit Grafit und Schneidewerkzeug geschaffen. Dabei nutzt er die ganze breite
Palette der Härtegrade der Bleistifte. Um Dichte und Tiefe in der Zeichnung zu erzielen, setzt er Linolwerkzeug, Radiergummi und Radiernadeln ein, schneidet aus dem grafitdunklen Grund weiße Linien
heraus, um diese erneut einzuschwärzen und dunkle Vertiefungen zu gewinnen. Kiening liebt es, diese technischen Möglichkeiten voll auszureizen und den zwei Millimeter starken Karton bis an die
äußersten Grenzen der Belastbarkeit zu strapazieren. „Kein anderes Papier hält diese Behandlung aus“ (Kiening). Mit diesen Techniken der Oberflächengestaltung sucht die Zeichnung, in die dritte
Dimension vorzudringen. Mit Papp- und anderen Wischstiften verreibt Kiening den Grafit, sodass die Linien zu hellgrauen Strichen verwischen. Zugleich überarbeitet er weiche Grafitpassagen mit hartem
Bleistift wie mit einem Polierwerkzeug und erzielt auf diesem Weg besondere Flächen im Bild, die sich glänzend von der Umgebung abheben. Dieser Glanz erschließt sich dem Auge in seiner reichen
Ausdifferenzierung aber erst dann, wenn der Betrachter das Bild aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Mit Linien Strukturen schaffen, sie zu Strichen verwischen, mit Schnitten Dichte und Tiefe
erzielen, mit Lichtreflexen die Effekte von Glanz erzeugen und dem Werk gleichsam eine Metaebene von großer Intensität zu verleihen, darin besteht für Kiening die wahre Lust in der zeichnerischen
Kunst.
Typisch für Kienings Arbeitsweise ist, dass zu Beginn der Arbeit an einem Werk kein Sujet oder Thema steht, sondern der Wille des Künstlers, sich technisch weiterzuentwickeln, neue Möglichkeiten der
Bildwirkung auszuprobieren, das Spektrum zeichnerischen Schaffens zu erweitern und, darauf aufbauend, über die Technik zum Thema zu kommen. Die Bildidee entwickelt sich im prozesshaften Verlauf des
Arbeitens mit Karton, Grafit, Schneidewerkzeug und Stiften; sie kristallisiert sich erst in einem späten Stadium zu einem Bildtitel aus.
Das handwerklich äußerst präzise gearbeitete Werk besticht zunächst durch die expressiv kraftvolle Dynamik unkontrolliert wirkender Strichführung, welche die engen Grenzen des Bildträgers sprengen zu
wollen scheint. Das im Titel ganz abstrakt genannte »throw away« wird auf bildkünstlerisch kongeniale Weise ungegenständlich ausgeführt. Hier wird nicht irgend etwas weggeworfen, sondern es
geht um das Wegwerfen als solches. Zwei schwarze, mit streng zeichnerischen Mitteln generierte Flächen beschreiben eine Bewegung, die mittig links ihren Ausgang nimmt, sich sodann in wilden Strichen
auf hellem Grund aufzulösen scheint, um sich sogleich wieder zum unteren Bildrand hin in einem Kraftstau zu ballen, der über die Grenzen des Bildträgers hinausbricht, schließlich jedoch wieder „die
Kurve kriegt“, sich nach rechts oben wendet, dabei an brachialer Dynamik verliert und sich zuletzt wieder in die Bildträgerfläche einhegen lässt.
Dr. Markwart Herzog, Direktor der Schwabenakademie Irsee
Norbert Kiening — Zeichnung / Malerei / Holzschnitt / Skulptur in der Galerie der KVD, Pfarrstrasse 13, 85221 Dachau
Presse: Gregor Schiegl SZ, „Brutal schön“: http://sz.de/1.3887382
Fokus: 1. Preis Wettbewerb Kunst am Bau / Sparkasse Donauwörth
Holzschnitt Grande Motte / Kunstpreis der Stadt Krumbach / 2011, 88 cm x 108 cm (Fotos Kiening)